Pastor-Heinrich Ingerfurth

Aus Homberg unterm Hakenkreuz
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Homberg unterm Hakenkreuz Die Position von Pastor Heinrich Ingerfurth

Ein Beitrag zum Projekt des Freundeskreises Historisches Homberg e.V.

Pastor Heinrich Ingerfurth (1909-1994) war 1937 an die Pfarrstelle ,Rheinkirche' als Nachfolger von Pfarrer Henrichs berufen worden, nachdem er zuvor für 1 Jahr Hilfsprediger in Hochheide gewesen war. Seine theologische Entwicklung während des Studiums in Marburg und Bonn war stark geprägt worden von zwei bedeutenden Persönlichkeiten in der evangelischen Theologie: Rudolf Bultmann in Marburg (Thema: "Entmythologisierung des Neuen Testaments") und Karl Barth in Bonn (Thema: „Kirchliche Dogmatik"). Die Einflüsse dieser beiden Theologen sind in seinem ganzen theologischen Leben immer gegenwärtig geblieben.


Vor seinem Einstieg in die konkrete Gemeindearbeit war Heinrich Ingerfurth nach seinem Studium in den Jahren 1932/33 Stipendiat am Domkandidatenstift in Berlin gewesen und hatte dort als 23-Jähriger die dramatischen Umwälzungen der „Machtergreifung" hautnah miterlebt. Nach der Berliner Zeit trat er an verschiedenen Orten im Rheinland das Lehrvikariat an und erklärte bereits 1934 seinen Beitritt in die Rheinische Pfarrerbruderschaft -Gruppe Hilfsprediger und Vikare. Hier entwickelte sich recht bald die Konfrontation zwischen den Verfechtern einer ‚Reichskirche' (spätere Deutsche Christen - DC) und der ‚Bruderschaft, einem Vorläufer der ‚Bekennenden Kirche' (BK). Diese Mitgliedschaft und die damit verbundene Auseinandersetzung mit dem Versuch des NS-Regimes, neben den meisten gesellschaftlichen Organisationen auch die Evangelische Kirche gleich zu schalten, hatte zur Folge, dass er bei seinen Predigten, in denen er in verdeckten Formulierungen jedoch unmissverständlich zur kritischen Wachsamkeit aufrief, unter besonderer Beobachtung stand. Er selbst schreibt dazu in seinen ‚Fragmenten' (S. 86):

„Das Jahr 1937 -ein Jahr, das einmal in die Geschichte eingehen wird mit dem traurigen Vermerk: mehr als 700 evgl. Pfarrer in Schutzhaft- war auch für mich in Homberg ausgefüllt mit den heftigsten Angriffen. Es war für mich der Höhepunkt der Auseinandersetzung mit der ns-ldeologie. Wir waren nur wenige, die sich zur BK hielten. Es hagelte Anzeigen wegen „staatsgefährlicher" Äusserungen: sogleich am 18.1.37 (am 17.01.37 war seine Einführung in Homberg gewesen) mußte ich mich bei der Kripo melden. Ein Reichsbankzählmeister Weber und ein Schneidermeister Handyk hatten mich angezeigt.*) Im Sommer zeigten mich nach einer Beerdigung der SA-Führer Wiecke und der SS-Führer Schlothauer sowie der Propagandamann Jühres an. Ich hatte gesprochen über: ,Verlass Dich auf den Herrn von ganzem Herzen' und nur gesagt: ,Wer sich auf den Menschen verlässt, der ist verlassen'. Jühres hatte mir schon am Grab die Antwort gegeben: ,Wer sich auf den Führer verlässt, ist nicht verlassen'. Die armen Narren! Anlässlich eines volksmissionarischen Vortrags: „Evangelisch oder deutschgläubig" hatten sie bereits die Gestapo Düsseldorf alarmiert. Wegen eines Fürbittgottesdienstes für Martin Niemöller sollte ich abgehört werden. Oft genug war Haussuchung. Der Lehrer Bonnekamp stand einmal in der Sakristei vor mir mit erhobenen Händen: "Wenn Sie den Namen Niemöller noch einmal nennen!" Der Presbyter Klömpken hat in einer Sitzung mit der Faust auf den Tisch geschlagen gegen mich! Der mässige Carl Denkhaus warnte mich vor Scharfmacherei gegen die DCer. Dem allem zum Trotz nahm mich in Schutz der damalige Krim. Komm. Ludwig Schmidt. Später habe ich ihm oft genug gesagt: ,Sie haben mir das Leben gerettet.' (...) Auch der kath. Krim. Ass. Meis tat das Beste für mich. Der Bürgermeister Fritz Sonnen hat sich ein paar Mal bei der Gestapo Düsseldorf für mich eingesetzt. Selbst Trude (meine Frau) wollten sie ,ans Leder' wegen einer politisch gefährlichen Äusserung. Aber keiner kam zum Zuge."


Ab 1940 wurde Heinrich Ingerfurth zur Wehrmacht eingezogen als gemeiner Soldat und hat den Krieg bis 1945 an verschiedenen Fronten miterleben müssen. Auch nach Kriegsende und Wiedereintritt in die Gemeindearbeit hat die Zeit „unter dem Hakenkreuz" bis zu seinem Abschied aus dem Kirchendienst 1979 seine Arbeit als Seelsorger geprägt. So hat er sich der Friedensbewegung angeschlossen und damit unter anderen vor allem an Personen wie Martin Niemöller**) und Gustav Heinemann orientiert.

  • ) Die Anzeige bezog sich auf die Einführungspredigt am 17.01.1937 und dort auf einige Passagen, in denen u.a. gesagt worden sei, „dass leider einige hohe Persönlichkeiten gegen die Kirche wären und am liebsten sehen würden, wenn die Kirche von Gotteserdboden verschwinde."

Heinrich Ingerfurth gab dazu vor dem Krim.Komm. Ludwig Schmidt am 19.01.1937 u.a. zu Protokoll: „ich glaube, dass ich als Hirte und Seelsorger der evgl. Kirchengemeinde die Wahrheit gesagt habe, die ich nach dem Worte Gottes in der gegenwärtigen Lage sagen muss." Weiterhin nahm er in einer schriftlichen Erklärung vom 20.01.1932 zu den „gegen mich erhobenen Anschuldigungen" Stellung.


    • )

Ein Beispiel hierzu: Die WAZ hatte am 06.01.1952 eine Karikatur zu Niemöller gebracht mit dem Titel: „Martin, wer bist Du? Jedes Spiegelbild zeigt ein anderes Gesicht!" und bezog sich damit auf eine Reise Niemöllers nach Moskau auf Einladung des dortigen Patriarchen.


Heinrich Ingerfurth nimmt dazu in seinem Brief an die WAZ vom 16.01.1052 unter anderem wie folgt Stellung:


„1. Ich habe bereits heute morgen in einer Predigt auf Ihre Karikatur Bezug genommen und sie zurück gewiesen.

2. Ich bestelle hiermit sofort die WAZ ab.

3. Ab sofort werde ich in (.,.) unserer Gemeinde dafür sorgen, dass ein gerechtes Bild von N. Gezeichnet wird mit dem Hinweis auf eine irregeleitete Presse.

4. Diesen Brief gebe ich in Abschrift weiter an die Kanzlei Niemöllers."


Aufgestellt: Hans W. Ingerfurth Stuttgart, November 2022