Homberg unterm Hakenkreuz: Unterschied zwischen den Versionen
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Diese beiden Homberger Juden müssen die Eltern von Moses Coppel gewesen sein, denn erst im Folgejahr (1835) war die Familie Coppel durch die Geburt ihres Sohnes Moses Coppel (s.o.) in Homberg zu dritt. | Diese beiden Homberger Juden müssen die Eltern von Moses Coppel gewesen sein, denn erst im Folgejahr (1835) war die Familie Coppel durch die Geburt ihres Sohnes Moses Coppel (s.o.) in Homberg zu dritt. | ||
Dass der Bevölkerungszuwachs bis Ende des Jahrhunderts - insbesondere in Hochheide – rasant anstieg, dafür sollte ein Ruhrorter Bürger verantwortlich sein. | Dass der Bevölkerungszuwachs bis Ende des Jahrhunderts - insbesondere in Hochheide – rasant anstieg, dafür sollte ein Ruhrorter Bürger verantwortlich sein. | ||
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Version vom 12. November 2016, 21:10 Uhr
Ein Projekt des Freundeskreis Historisches Homberg e.V.
Weshalb wird dieses Projekt konzipiert?
Der Freundeskreis Historisches Homberg e.V. wurde 1985 gegründet, um u.a. „die geistige Auseinandersetzung mit der Geschichte des Gebietes der ehemaligen Stadt Homberg zu pflegen und möglichst vielen Mitbürgern und Interessenten zugänglich“ zu machen. Als Quelle für die nach der Gründung publizierten Aufsätze und Schriften sowie für öffentliche Vorträge über historisch Ereignisse und Entwicklungen in Homberg, Hochheide und Essenberg dienten: die Publikationen der Chronisten der Homberger Stadtgeschichte ( insbes. Mohr, Mast und Thelen), die umfangreichen Sammlungen von Aufsätzen, Urkunden und sonstigen schriftlichen Archivalien und zahlreiche dokumentierte Beiträge von Zeitzeugen. Nach Sichtung und Neuordnung des gesamten Archivs (2013) wurde erschreckenderweise deutlich: Unterlagen, Berichte und Veröffentlichungen über die Barbareien der Willkürherrschaft der Nationalsozialisten Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) unter Adolf Hitler in der Zeit von 1933 bis 1945 in Homberg sind im Archiv unseres Vereins nicht existent. Um diesem eklatanten Mangel zu begegnen, hat der Vorstand beschlossen, das Projekt „Homberg unterm Hakenkreuz“ zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für die Projektleitung ist Dirk Lachmann, stellvertr. Vorsitzender, verantwortlich.
Was sieht das pädagogische Konzept vor?
Die Bearbeitung des Projektes ist offen. Das heißt, jeder kann mitmachen. Die Untersuchungen zu diesem Projekt müssen sich im Wesentlichen auf das Gebiet der Stadt Homberg in der Zeit von 1933 bis 1945 beziehen. (Geschichte vor Ort) Die Jugendlichen von heute sind aufgerufen, - ob als Einzelne oder im Klassenverband - nach dem Motto „Jugend forscht“ erste wissenschaftliche Schritte zu erproben. Vor allem aber wird die Mitarbeit der älteren Generation gesucht, die evtl. noch in der Lage ist, als historisch Interessierte authentische Beiträge zu erbringen. Wichtig wären auch Informationen, Fotos und Geschichten aus der eigenen Familie. Auf der Grundlage von über 50 Befragungen von Zeitzeugen aus Homberg, sowie nach dem Studium unterschiedlichster Archiv-Quellen, wurde eine (vorläufige) konzeptionelle Gliederung erarbeitet, die in ihren Gliederungspunkten bereits eine Vielzahl von Informationen, Fakten und Ergebnissen liefert. Das Konzept sieht vor, dass alle Gliederungspunkte im Internet auf einer Informations- und Lernplattform veröffentlicht werden. Mit der Einrichtung der Internet-Plattform soll gezielt darauf abgehoben werden, neue, überprüfbare Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Auf diese Weise generiert die pädagogische Internet-Plattform zur Klammer zwischen Lernenden und Forschenden. Für die Veröffentlichung im Internet müssen natürlich Zugangsvoraussetzungen erfüllt werden: Auskünfte erteilt Dirk Lachmann
„Nicht das Wegsehen, sondern das Hinsehen macht die Seele frei.“ Theodor Litt (Pädagoge, 1880 bis 1962)
Inhaltsverzeichnis
- 1 Vorwort
- 2 Zur Geschichte der Juden in Homberg bis 1933
- 2.1 Juden in Homberg vor 1900
- 2.2 Von den dörflichen Gemeinden zum Industriestandort Homberg
- 2.3 Zu- und Abwanderungen von Juden in Homberg
- 2.3.1 Zuwanderungen in den 1890er Jahren
- 2.3.2 Zuwanderungen von jüdischen Familien bis 1925
- 2.3.3 Berufsstruktur der jüdischen Zuwanderer
- 2.3.4 Verhältnis zwischen Hombergern und ihren jüdischen Mitbürgern
- 2.3.5 Abwanderung der Juden aus Homberg nach 1925
- 2.3.6 Schließung der Zeche Rheinpreußen leitet Abwanderung ein
- 2.3.7 Zur Frage der Integration der Juden in Deutschland
- 2.4 Aufstieg und Machtergreifung der NSDAP durch Wahlerfolge
- 3 Zur Geschichte der Juden in Homberg ab 1933
- 4 Nazi-Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- 5 Nachkriegszeit
- 6 Chronologie der Nazi-Diktatur
- 7 Stichwortkatalog
- 8 Quellennachweis
- 9 Anhang
Vorwort
Das „vergessene“ Kapitel der Homberger Stadtgeschichte: Homberg unterm Hakenkreuz 1933 bis 1945
Die Stadthistoriker Paul Mast („Homberg, die Stadt im Grünen“) und Karl Teelen („Blick vom Hebeturm“) haben mit ihren Publikationen wichtige Beiträge zur Stadtgeschichte Hombergs in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts verfasst. Jedoch war es Theodor Mohr vorbehalten, als erster die „Geschichte der Stadt Homberg“ zu erforschen und aufzuschreiben. Das war im Jahr 1967. Obgleich alle drei Chronisten den Aufstieg der NSDAP und die Diktatur Adolf Hitlers als Zeitzeugen miterlebt hatten, blenden sie die Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Nationalsozialisten in ihren historischen Studien zur Stadtgeschichte Hombergs total aus.
Die Gräueltaten der Nazis, welche bereits direkt nach dem Ende des 2. WK offengelegt und publiziert worden waren, zeigten unzweifelhaft auf, welche Verbrechen gegen Juden, kranke und behinderte Menschen (Euthanasie), Homosexuelle und Zwangsarbeiter auch in Homberg begangen wurden. Wer diese Tatbestände leugnet oder verdrängt, stellt sich moralisch ins Abseits.
Zur Geschichte der Juden in Homberg bis 1933
Wer über die Anfänge jüdischer Siedler in Homberg (1) berichten will, sieht sich mit einer äußerst begrenzten Quellenlage konfrontiert. Deshalb kann meist nur im Analogieschluss beschrieben werden, wie die gesellschaftspolitische Realität für die Juden in Homberg seit dem 17. Jahrhundert ausgesehen haben könnte. Die Gemeinde Homberg war Teil der Grafschaft Moers (2), die wiederum über Jahrhunderte durch die wechselnde Zugehörigkeit zu Preußen und Frankreich in ihrer Judenpolitik von diesen Staaten abhängig war. Anders verhält es sich mit der Quellenlage über Homberger Juden ab 1900. Hierzu liegen Forschungsergebnisse des Duisburger Stadtarchivs (3) vor, die einen Einblick in Zahl, Herkunft, Familienstand und Beruf der in Homberg sesshaften Juden geben. Die teilweise Erforschung ihrer Schicksale in der Zeit des Nationalsozialismus ist dabei von besonderer Bedeutung. Mit der schicksalhaften Deportation am 11. Dezember 1941 von Homberger Mitbürgern jüdischen Glaubens (Juden) in einem Sammeltransport in ein Konzentrationslager nach Riga/Lettland, wo letztendlich ihre physische Vernichtung stattfand, endet faktisch die Geschichte der Juden in Homberg. Homberg war Ende 1941 nach nationalsozialistischem Sprachgebrauch „judenfrei“.
Juden in Homberg vor 1900
Von der Regulierung zur Emanzipation
Den bis dato ersten Hinweis über frühe Juden in Homberg gibt es als Anmerkung im „Verwaltungsbericht Homberg - Niederrhein 1901 bis 1909“ (4):
Dort heißt es: „Für eine gewisse Bedeutung von Homberg spricht auch die Ansiedlung von Juden, schon im 16. Jahrhundert.“
Aus der Grafenstadt Moers wird von einem konkreten Fall berichtet:
„Bereits 1613 hatte die Stadt Moers bei einem jüdischen Mann Geld geliehen, das zur Befestigung der Stadt verwandt wurde.“ (5)
Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 war wohl der Religionsfrieden zwischen Protestanten und Katholiken besiegelt worden, jedoch wurde keine einvernehmliche Haltung gegenüber den Juden in Deutschland vereinbart. Die Juden wurden den Landesfürsten unterstellt, die mit oft sehr unterschiedlichen „Judenordnungen“ (Regulierungen) das Zusammenleben in der Stadt und auf dem Land regelten. Dabei war den Landesfürsten der Aspekt der Emanzipation und Integration der Juden in die heimische Gemeinschaft eher fremd. Vielmehr ließen sich weltliche und geistliche Herren, wie schon in den Jahrhunderten zuvor, davon leiten, ihre fiskalischen Interessen durchzusetzen, indem sie von den Juden den Kauf von immer neuen „Geleitrechten“ (Schutzrechten) verlangten.
Die Regulierungen der Landesherren griffen tief in die private Sphäre der Juden ein. Üblich waren Bestimmungen wie: Wahl der Niederlassung, Höhe des Eigenkapitals, Verbot des Erwerbs von Liegenschaften, Zahl der Kinder und vor allem starke Beschränkungen für das Erwerbsleben als Landwirt (Ackerbau), beim Handwerk und im Hausierhandel. (6) (lies 6a)
Für die Grafschaft Moers gibt es diesbezüglich folgenden Bericht: (7)
„In einem Reglement von 1678 wurde die Zahl der Juden strikt begrenzt. Es hieß, daß nicht mehr als sechs Juden in der Grafschaft Moers leben durften. Von diesen sechs Juden sollten drei in Moers, einer in Krefeld und zwei in Friemersheim und Budberg wohnen. Wenn einer starb, wurde nur ein relativ vermögender Jude an dessen Stelle zugelassen. In beruflicher Hinsicht erlaubte die Obrigkeit den Juden lediglich das Metzger- und Fleischergewerbe. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts (Anm.: Seit 1702 gehörte die zum Fürstentum erhobene Grafschaft Moers zu Preußen) wurde zwanzig jüdischen Familien der Aufenthalt gestattet. Die Obrigkeit achtete streng darauf, daß die Zahl der Juden nicht zu sehr anstieg. So wurde z. B. den erwachsenen Kindern einer Familie oft nicht erlaubt, wie ihre Eltern in Moers zu leben, weil dadurch die Zahl der Juden zu groß wäre.“(8)
„1715 erhalten im Fürstentum Moers zwanzig Familien und deren Gesinde ein Geleit- und Schutzpatent für zwanzig Jahre.“ (9)
Inwieweit das Dorf Homberg von diesen Reglements betroffen war, ist nicht annähernd einzuschätzen. Wenn aber unterstellt werden kann, dass Juden zu diesem Zeitpunkt bereits in Homberg Fuß gefasst hatten, ist, bei Fortbestand einer jüdischen Familie, ein Wechsel in andere Dörfer und Gemeinden wegen der aufgezeigten Bedingungen nur schwer möglich gewesen.
Mit dem Leitgedanken der Französischen Revolution (1789 bis 1798) - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - siegte das Bürgertum über das absolutistische „Ancien Regime“ (10) und schuf damit eine neues Bewusstsein für eine emanzipatorische Gestaltungsfreiheit eines jeden Menschen. Das galt zunächst für Frankreich, griff dann aber sprunghaft auf die Länder Europas über und darüber hinaus. Bereits 1791 waren die französischen Juden durch die Aufhebung aller Judenordnungen und durch das Erlangen der allgemeinen Bürgerrechte emanzipiert. Sie waren freie Bürger geworden.
Als 1801 das Moerser Fürstentum aufgrund der Eroberungen durch Napoleon französisches Staatsgebiet wurde, galten für die hiesigen Juden dieselben Emanzipationsrechte. Allerdings dauerte dieser Zustand nicht lange an. In den ländlichen Gebieten des Bezirks Köln und in den Eifelgegenden klagten unter anderem die Bauern, die Kleinkredite von den Juden nahmen, gegen die „Bewucherung“ durch die in Handelsgeschäften versierten Juden. Bereits 1808 führten die französischen Behörden einige Beschränkungen wieder ein, wie das Hausieren und die Gewerbepatente (Ausübung nur mit Genehmigung).(10a) Nach Napoleons Abdankung und spätere Verbannung erlangte Preußen nach dem Wiener Kongress von 1815 wieder seine Souveränität über die Rheinlande (Rheinprovinz).
Die Rechte der Juden blieben zum Teil eingeschränkt. Erst durch die Preußischen Judengesetze vom 23. Juli 1847 („Gesetz über die Verhältnisse der Juden“) verbesserte sich die Stellung der Juden in Preußen. „Die eigentliche Emanzipation der Juden am Niederrhein wurde endgültig durch das Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 3. 7. 1869 manifestiert. Darin heißt es: „Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte werden hierdurch aufgehoben“.“ (11) Durch die Reformgesetzgebung des Norddeutschen Bundes war somit jeder Jude ein gleichgestellter Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten gegenüber der Verfassung.
So hatte er z. B. Zugang zu allen Berufen, konnte studieren, besaß das aktive und passive Wahlrecht und musste Dienst mit der Waffe leisten. Damit war der Weg für alle Juden offen, sich in die deutsche Gesellschaft zu „akkulturieren“ (anzupassen), d.h. Deutscher zu werden und Jude zu bleiben. Sie betrachteten sich als Bestandteil der deutschen Nation, während ihre jüdische Identität immer stärker auf den Privatbereich des religiösen Bekenntnisses beschränkt blieb. (12) (lies 12a)
Jüdische Familien in Essenberg und Homberg
1861 wurden in Homberg und Essenberg neun jüdische Mitbürger registriert. (13)
1890 lebten 10 Juden in Homberg und Essenberg (Fam. Coppel 7 Pers., Fam. Vasen 3 Pers.) „Der Name Coppel ist abgeleitet von Jakob“. (Hans-Peter Baum, s. 6a)
1895 16 Juden 1900 15 Juden (14)
Durch die Forschungen des Duisburger Stadtarchivs sind Namen von Juden benannt worden, die bereits im 19. Jahrhundert in Homberg lebten.
In Essenberg wurde die Jüdin Katharine (Käthchen) Vasen am 19. 4. 1858 geboren. Ihre Eltern waren Marcus Vasen und Sibylle, geb. Kappel. Die Wohnadresse in Essenberg ist nicht bekannt.
Katharina Vasen wohnte 1925 auf der Duisburger Straße 219 und später auf der Kirchstraße 155. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie als Näherin. Sie meldete sich am 28. 10. 1937 nach Köln ab, wo sie im März 1939 im Altersheim lebte. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. (15)
Die Duisburger Forschungen benennen einen Juden, der am 12. 6. 1835 in Homberg, Rheinstraße 27, geboren wurde. Es handelt sich um Moses Coppel. Über seine Eltern ist nichts bekannt. Er heiratete Johanna Gornsann und hatte vier Kinder mit ihr.(16) Moses Coppels Beruf war „Kaufmann“. Im Verwaltungsbericht Homberg 1901 bis 1909 (S. 25) wird seine Erwerbstätigkeit mit „Viehhändler“ konkreter bezeichnet. Im selben Haus wurde auch sein sieben Jahre jüngerer Bruder Salomon (8. 11. 1842) geboren. Auch er war von Beruf „Kaufmann“. Er arbeitete als Viehhändler im Familienunternehmen mit. Das wird durch den Firmenamen „Gebr. Coppel“ belegt. Salomon Coppel blieb unverheiratet.
Da insbesondere die Viehwirtschaft auch am Anfang des 19. Jahrhunderts eine erlaubte berufliche Option für Juden war, darf daraus geschlossen werden, dass die Eltern der beiden Coppel-Söhne ebenfalls schon in dieser Branche ihren Lebensunterhalt verdient hatten. Wahrscheinlich folgten sie damit sogar einer langen Familientradition.
So ist der Familienname Coppel in der Grafschaft Moers schon seit ca. 200 Jahren beurkundet.
Bei Brigitte Wirsbitzki liest man Folgendes: „Um die Mitte des 17. Jahrhunderts haben bereits mehrere jüdische Familien in Moers gelebt. Das Urkundenbuch der Stadt und Herrlichkeit Krefeld und der Grafschaft Moers nennt u.a. die Namen Isaak Nathan, Elias Benedict, Wolff Abrahams, Levi Josef, Lazarus Cerckel.“ (17)
Und weiter heißt es: „1660 Juli 24 – Coppel, hebräischer Herkunft, wird gestattet, 12 Jahre in der Grafschaft Mörs zu wohnen“. (18) „Die Familie Coppel gehört damit nachweislich zu den ältesten jüdischen Familien von Moers. Vorfahren der Familie sollen bereits seit der Zeit um 1000 im Moerser Raum ansässig gewesen sein, wie es in der Familie überliefert ist.“ (19)
Dass die Angehörigen der Großfamilie Coppel durch die Moerser Grafen auf möglicherweise mehrere Dörfer und Gemeinden verteilt worden sind, liegt auf der Hand, legte doch der Landesherr grundsätzlich die Zahl der Niederlassungsberechtigten auf bestimmte Orte fest.
Seit wann die Eltern von Moses und Salomon Coppel in der Rheinstraße in Homberg wohnten, ist noch zu klären. Die Ansiedlung der Familie Coppel in dieser Straße, und zwar mit Wohnhaus, Stallungen und Weiden, ist insofern auffällig, weil die Rheinstraße zu den ältesten Straßen des historischen Homberg gehört und wohl der erste Siedlungsmittelpunkt des Dorfes war. Ob die Coppels sich schon vor Jahrhunderten dort niedergelassen haben oder viel später sich niederlassen durften, ist unbekannt.
Während des Betrachtungszeitraumes hat Moses Coppel es jedenfalls zu Wohlstand gebracht. Er besaß oder pachtete auf Homberger Gebiet mehrere Weiden für sein Vieh. Von der Coppelschen Weide an der Friedhofallee ist von einem Zeitzeugen berichtet worden, dass „sie noch in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts wirtschaftlich genutzt wurde“. (20)
Moses Coppel muss in Homberg ein angesehener Mann gewesen sein. Er zahlte nicht nur einen hohen Steuersatz, sondern er wollte auch Verantwortung für Gemeinde und Bürger übernehmen. Er fühlte sich als deutscher Bürger mit jüdischem Glauben in Staat und Gesellschaft voll integriert. So kandidierte er bereits 1877 bei den Gemeinderatswahlen und wurde nach dem Preußischen Dreiklassenwahlrecht in der Abteilung I (Anm.: Abt. der Wohlhabenderen) in den Gemeinderat für die Wahlperiode 1878 bis 1883 gewählt. Auch in den folgenden Ratsperioden war er Gemeinderatsmitglied in der Bürgermeisterei Homberg bis 1904. (21) Moses Coppel starb am 18. oder 22. 11. 1922 in Homberg.
Als Arbeitshypothese für weitere Untersuchungen kann zz. festgehalten werden, dass die Familie Vasen aus Essenberg und die Familie Coppel aus Homberg die ersten jüdischen Familiennamen im 19. Jahrhundert sind, welche durch Quellenfunde belegt werden können.
Erläuterungen:
(1) Homberg wird ab dem 9. Jh. als „Hohonberg“ urkundlich genannt. Gleiches gilt für „Ascmeri“, das sich sprachlich zu Essenberg entwickelte. Etwa im 11. Jh. tauchte in Moers ein Geschlecht auf, aus dem die späteren Grafen von Moers hervorgingen. Homberg und Essenberg waren über Jahrhunderte Bauernschaften (Honnenschaften) der Grafschaft Moers. (Vergl. Theodor Mohr, Geschichte der Stadt Homberg, S. 20 ff) 1807 wurden die Dörfer Homberg und Essenberg in ihrer Zugehörigkeit zu Frankreich (Besatzungszeit 1801 bis 1815) „zu einer selbständigen Bürgermeisterei erhoben“ (Bestand 22 Homberg, S. 2, Stadtarchiv Duisburg)
Am 1. Jan. 1907 entstand die Gemeinde Homberg, bestehend aus den Ortsteilen Homberg, Essenberg und Hochheide. ie Stadtrechte wurden der Gemeinde Homberg am 12. Febr. 1921 verliehen. (Adressbuch 1925)Am 1. Januar 1975 wurde Homberg mit Ruhrort und Baerl ein Stadtbezirk der Stadt Duisburg.
(2) Grafschaft Moers, siehe auch (1).1594 erwarb durch Schenkung von der letzten Gräfin Walpurgis ihr Neffe Prinz Maurits (Moritz) von Oranien, Regent der Niederlande, die Grafschaft Moers. Am 25. 3. 1702 wurde die Grafschaft Moers preußisch. ( Homberger Verw.-bericht 1901 bis 1909, S. 5) König Friederich I. von Preußen erhob die Grafschaft zum Fürstentum.
1801 bis 1815 Franzosenherrschaft. „Moers gehörte in dieser Zeit zum Departement Roer. Im Arrondissement (Unterpräfektur) Krefeld war Moers Hauptort des Kantons Moers, der den größten Teil der alten Grafschaft umfasste (vgl. 675 Jahre Moers, Festvortrag, 1975). Der Kreis Moers wurde erst am 3. Dez. 1857 als eigenes politisches Verwaltungsgebiet aus dem Kreis Geldern herausgelöst.Mit der Gebietsreform von 1975 ging der Kreis Moers im Kreis Wesel auf.
Von den dörflichen Gemeinden zum Industriestandort Homberg
Erste Verwaltungsstrukturen der Dörfer Homberg, Essenberg und Hochheide
Während der französischen Besatzungszeit (1801 bis 1815) war der linke Niederrhein französisches Staatsgebiet. In dieser Zeit erhielten die Dörfer Homberg und Essenberg verwaltungsrechtliche Strukturen: Sie wurden Bürgermeistereien. Als 1815 das Rheinland wieder zu Preußen gehörte, blieb diese „kommunale Gliederung“ bestehen. Dem Weiler Hochheide, der hinter dem Homberger Busch lag (s. Plan von Katastergeometer Hurzthaler, 1830 – Archiv FHH), wurde zunächst eine Gemeindefläche zugestanden. Später kam es dann auch zur Bildung einer Vertretungskörperschaft in Form der Bürgermeisterei. (22) 1818 zählte man in Homberg 669 Einwohner, in Essenberg 371 und im Weiler Hochheide 93. (23) Die Bevölkerung nahm in den drei dörflichen Gemeinden nur langsam zu. In Homberg wohnten 1834 980 Personen, in Essenberg 456 und in Hochheide 115. Auch von zwei jüdischen Einwohnern in Homberg wird berichtet. (24) Diese beiden Homberger Juden müssen die Eltern von Moses Coppel gewesen sein, denn erst im Folgejahr (1835) war die Familie Coppel durch die Geburt ihres Sohnes Moses Coppel (s.o.) in Homberg zu dritt. Dass der Bevölkerungszuwachs bis Ende des Jahrhunderts - insbesondere in Hochheide – rasant anstieg, dafür sollte ein Ruhrorter Bürger verantwortlich sein.
Homberg wird Industriestandort
Die Entscheidung von Franz Haniel linksrheinisch mit dem Kohlebergbau zu beginnen, war unstreitigdie Initialzündung für den beginnenden Strukturwandel im hiesigen Wirtschaftsraum. Gleichzeitig hatten auch andere Unternehmer die wirtschaftliche Qualität des Standortes Homberg und Essenberg erkannt. Das im Aufbau befindliches Schienennetz (z.B. Rheinbrücke Rheinhausen 1873) sowie die Nutzung des Rheins als Verkehrsader waren ausschlaggebende Faktoren für ihre Unternehmensgründungen. So wurden ab den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts in Homberg die Mühlenwerke von Joh. Küppers Söhne und die Dampfwalzmühle von Stock und Hausmann, das Chemiewerk Sachtleben in Essenberg (1892), Unternehmen und Betriebe wie das Stellawerk (feuerfeste Produkte, 1890) und die Maschinenfabrik Schmitz Söhne (1872) errichtet. Aber nicht nur in den größeren Betrieben wurden Arbeitskräfte nachgefragt. Gleichermaßen etablierte sich über die Jahrhundertwende hinaus eine Vielzahl von weiteren klein- und mittelständischen Unternehmen im Schifffahrtsgewerbe, im Textilbereich, in der Holzverarbeitung, bei der Fleischverarbeitung, im Buchdruck und bei den Ziegeleibetrieben, die nicht zuletzt Zulieferer für die zahlreichen Bauunternehmer waren. Die Zuwanderungen vor und nach der Jahrhundertwende lassen sich in der Bevölkerungsstatistik nachlesen. Dabei ist ab 1900 der Trend zu erkennen, dass die Zahl der Einwohner in Hochheide die Zahl der Einwohner in Homberg in den Folgejahren übertreffen wird.
Franz Haniel - Begründer des Kohlebergbaus am linken Niederrhein
Der Industrielle Franz Haniel aus Ruhrort war Anfang des 19. Jh. bereits ein erfolgreicher Unternehmer u.a. auch im Kohle- und Eisenhüttengeschäft. Um sein Montanunternehmen zu stärken, entschloss er sich als Erster, auf linksrheinischem Gebiet Schachtanlagen abteufen zu lassen, weil er davon überzeugt war, dass er dort durch Tiefenbohrungen (Schachtanlagen) auf Fettkohle stoßen würde, die er, zu Kokskohle verarbeitet, für seine Hochöfen benötigte. (25) Vom Pioniergeist beseelt, erwarb er Ländereien am linken Niederrhein. 1828 ersteigerte er den Homberger Busch. In den Folgejahren ließ er ihn teilweise roden und errichtete 1837 einen Gutshof an der Aktienstraße (den heute denkmalgeschützten Hanielschen Hof an der Moerser Straße). Erst 1851 erhielt Franz Haniel die Konzession zum Abteufen der Schachtanlagen I, II (Malakow-Architektur) und (danach) der Schachtanlage III (1891 Fertigstellung). 1857 stieß man auf erste Kohleflöze. Nach der notwendigen Entwicklung neuer bergbautechnischer Verfahren konnte schließlich das „Steinkohlenbergwerk Rheinpreußen“ in den Siebzigerjahren in Betrieb gehen. (26) Von Anfang an stand das Werk vor dem Problem, genügend qualifizierte Arbeitnehmer und Anlernkräfte zu rekrutieren. „Doch allzu bald war das hiesige Reservoir erschöpft, so daß es galt, allerorten die Werbetrommel zu rühren. Bei dem Versprechen eines guten Lohnes setzte ein Zuzug von Arbeitswilligen aus allen Ländern Europas ein. Holländer, Belgier, Schweizer, Italiener, Österreicher, Jugoslawen, Ungarn, Rumänen, Tschechen, Slowaken und Polen kamen teils mit, teils ohne Familie, um hier Arbeit und Brot zu finden.“ (26a) Dieser Schmelztiegel von Menschen mit unterschiedlichen Sprachen und kulturellen Hintergründen war damals für das Zusammenleben kein Problem. Denn die Bergleute waren sich einig, dass sie nur gemeinsam die harte und gefährliche Arbeit unter Tage bewältigen können. Dazu war aber bedingungsloses Vertrauen und gegenseitige Verlässlichkeit unabdingbar. Das Bewusstsein des gegenseitigen Für- und Miteinanders wurde von den Kumpels auch über Tage gepflegt.
Arbeiterstatistik
Jahr | Arbeiter |
---|---|
1870 | 42 |
1880 | 711 |
1890 | 1103 |
1901 | 3024 |
1905 | 4638 |
Durch den starken Zuwanderungsstrom wuchs für Rheinpreußen die unumgängliche Frage der Wohnraumbeschaffung. Durch die Abholzung des Homberger Busches verfügte Rheinpreußen seit Jahren über eine ausgedehnte Siedlungsfläche, um viele Tausende von Arbeitskräften mit ihren Familien anzusiedeln. Dabei wurde die Rheinpreußenstraße als Siedlungsachse zugrunde gelegt. 1889 begann man mit dem Bau der Siedlungshäuschen, die in Doppelhausform errichtet und mit reichlich Gartenfläche bedacht wurden.“ (Anm.: Teile der Siedlung stehen unter Denkmalschutz.)(28)
Arbeiterstatistik
Jahr | Homberg | Hochheide | Essenberg | Insgesamt |
---|---|---|---|---|
1880 | 4631 | 1359 | 1152 | 7142 |
1890 | 5257 | 1597 | 1180 | 8034 |
1900 | 6704 | 5874 | 1826 | 14404 |
1905 | 8555 | 12509 | 2624 | 23688 |
1906 | 9352 | 13571 | 2860 | 25783 |
Am 1. Januar 1907 wurden die drei Bürgermeistereien zur Landgemeinde Homberg zusammengelegt (Vereinigungsvertrag). Das Steueraufkommen floss nun zum ersten Mal in eine Gemeindekasse. Die Gemeinde Homberg trat verstärkt als kommunaler Investor auf. Der Straßen- und Kanalbau wurde forciert, es wurden Schulen gebaut und neue Bildungsgänge angeboten, die nun auch die höhere Bildung (Oberrealschule – heute FHG) sowie berufliche Fortbildung umfassten. (30)
Das Leitbild der „Stadt im Grünen“, von BM Wendel (Amtszeit 1903 bis 1934) angestoßen, nahm Zug um Zug deutlichere Konturen an. Die Eröffnung der Brücke über den Rhein nach Ruhrort im Jahr 1907 war ein glanzvoller Höhepunkt kommunaler Politik.
Tabelle
Mit der Wirtschaftskraft der Zeche Rheinpreußen als Basis und im Verbund mit der gemischten Unternehmensstruktur in Homberg hatte sich ein kontinuierlich wachsender, stabiler Industriestandort entwickelt, der seine Attraktivität bis zum Beginn des 1. Weltkrieges 1914 ausbaute.
Theodor Mohr beschrieb diese Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs mit den Worten: „Diese Zeit kurz vor und nach 1900 war für Homberg wahrhaft eine Zeit des Wirtschaftswunders.“(33)